Eine besondere Form bilden hier die Küstenregenwälder, die durch folgende besondere Merkmale charakterisiert sind [2]:

  • Ozeannähe,
  • unmittelbare Nachbarschaft eines Küstengebirges,
  • kühle Sommertemperaturen in Verbindung mit hohen Jahresniederschlägen, wobei in allen Jahreszeiten nennenswerte Niederschlagsereignisse auftreten.

Etwa 2-3 % der rd. 1,3 Mrd. ha Wälder in den gemäßigten Klimazonen entsprechen dieser Definition. Im Vergleich zu den tropischen Regewäldern ist ihre Fläche viel kleiner. Ursprünglich übertrafen die tropischen Regenwälder die Fläche die der Küstenregenwälder der gemäßigten Klimate um gut das Vierzigfache.

Küstenregenwälder im Regenstau der Küstengebirge findet man in folgenden Regionen (Abb. 1):

  • nordwestliche Pazifikküste Nordamerikas (USA, Kanada)
  • Pazifikküste im Südwesten Südamerikas (Chile)
  • Neuseeland und Australien (Tasmanien)
  • südliches Japan
  • Nordwesteuropa (Kleinstvorkommen in Irland, Schottland, Island, Norwegen)
  • östlicher Bereich von Schwarzem und Kaspischem Meer (Nordanatolien, Georgien)

Aufgrund der recht ausgeglichenen Temperaturregimes und hohen Niederschlägen zeigen die Regenwälder der gemäßigten Breiten eine vielfältige Flora und Fauna und besitzen meist sehr dichten Unterwuchs. Im Vergleich weisen zwar tropische Regenwäldern eine wesentlich höhere Artenvielfalt (Biodiversität) auf. Aber auch die Küstenregenwälder der gemäßigten Breiten sind ausgesprochen artenreich: In den Küstenregenwäldern des pazifischen Nordwestens finden sich in den Waldbeständen immerhin etwa 30 verschiedene Baumarten sowie ca. 250 Vogel- und Säugetierarten. Und hinsichtlich Pflanzengröße und schierer Biomasse übertreffen die Küstenregenwälder sogar die tropischen Regenwälder: Mit 500 bis über 2.000 t Biomasse je Hektar erreichen Küstenregenwälder im pazifischen Nordwesten die höchste Akkumulation von Biomasse, die in terrestrischen Ökosystemen gefunden werden. Das Alter einzelner Baumexemplare kann hier bis zu zwei Jahrtausenden erreichen. In Küstenregenwäldern sind Baumarten vertreten, die mit Durchmessern von etwa 6 m zu wahrhaft gigantischen Ausmaßen heranwachsen können. Die bekanntesten Beispiele hierfür sind sicherlich die neuseeländischen Kauri (Agathis australis), oder die nordamerikanischen Küstenmammutbäume (Sequoia sempervirens).

Der Küstenmammutbaum

Der Küstenmammutbaum wird in seiner Heimat als "Redwood" bezeichnet. Diese Art stellt die höchsten Bäume der Welt und liefert gesuchte und hoch bezahlte Hölzer. Der Höhenweltrekord steht derzeit bei gemessenen knapp 116 m, gehalten von einem Küstenmammutbaum im Redwood Nationalpark (Kalifornien/USA). Aufgrund der Namensbezeichnung treten gerne Verwechslungen mit dem nah verwandten Mammutbaum (Sequoiadendron gigantea) auf. Diese Baumart gehört zwar zur botanischen Gattung Sequoiadendron, wird in Amerika umgangssprachlich aber trotzdem als "Sequoia" bezeichnet. Die Mammutbäume kommen nicht im Küstenregenwald vor. Sie sind in trockenen Bereichen der Sierra Nevada beheimatet. In der Baumhöhe können sie Küstenmammutbäumen nicht das Wasser reichen. Dafür sind Mammutbäume jedoch im schieren Volumen Weltmeister. Sie sind volumenmäßig die größten Lebewesen der Erde: Beispielsweise erreicht der General Sherman Tree (Sequoia Nationalpark, Kalifornien/USA) ein Volumen von knapp 1.500 m³. Im Gegensatz zum wertvollen Holz der Küstenmammutbäume lässt sich das bezüglich holztechnischer Eigenschaften eher minderwertige Holz der Mammutbäume kaum verwerten.

Regenwälder im pazifischen Nordwesten Nordamerikas

Die weltweit größte Ausdehnung erreichen Küstenregenwälder im pazifischen Nordwesten Nordamerikas: Die ursprüngliche Fläche von ca. 25 Mio. Hektar zieht sich in einem schmalen Band entlang der Pazifikküste von Nord-Kalifornien über Oregon, Washington, British Columbia bis in den Südosten Alaskas (Abb. 2). Dies entspricht etwa der Hälfte der Fläche aller Küstenregenwälder weltweit. Klimatisch kennzeichnend sind im pazifischen Nordwesten die außerordentlich hohen Niederschläge (teilweise über 3.000 mm) und ein ausgeglichenes Temperaturregime im Sommer wie im Winter. Die Temperaturen bewegen sich das Jahr über selten außerhalb eines Bereichs zwischen 10-24° C.

Von der Ökologie der weiter östlich im Landesinneren liegenden Waldzonen Nordwestamerikas unterscheidet sich das schmale Band der Küstenregenwaldzone grundlegend: Wasser ist das ganze Jahr über durchgängig im Überfluss verfügbar (Steigungsregen), Waldbrände und Schnee fehlen fast vollständig. Aufgrund der hohen Feuchte findet sich eine üppige Flora und Fauna, rasch wachsende Bäume und dichter Unterwuchs. Die hohe Luftfeuchte und die häufigen Nebel fördern im Kronenbereich das Auftreten vielfältiger epiphytischer Moos- und Flechtengesellschaften. Die üppige Vegetation und die starke Anhäufung absterbender und verrottender Biomasse machen die Küstenregenwälder abseits von Erschließungslinien (Straßen, Wege, Wasserläufe o. ä.) außerordentlich schwer zugänglich.

Klassifizierung

Für die Klassifizierung der pazifischen Küstenregenwälder liegen mehrere Ansätze vor. Die derzeit für Nordamerika gebräuchlichste unterscheidet vier Zonen nach Temperatur und Niederschlagregimes [3] (Abb. 2). Diesen Zonen lassen sich charakteristische Hauptbaumarten zuordnen, die alle zu außerordentlich beeindruckenden Dimensionen jenseits zwei Meter Brusthöhendurchmesser heranwachsen können:

  1. subpolar: Sitkafichte (Picea sitchensis) und zwei Hemlock- oder Schierlingstannen (Western Hemlock - Tsuga heterophylla und Mountain Hemlock - Tsuga mertensiana)
  2. prehumid: Sitkafichte, Thuja (Thuja plicata) und Western Hemlock
  3. seasonal: zu Sitkafichte, Thuja und Western Hemlock tritt die Douglasie (Pseudotsuga menziesii) hinzu
  4. coastal redwood: dominiert wird diese etwas "trockenere" südliche Variante (rd. 1.300 mm Niederschlag) von den Küstenmammutbäumen

Bewirtschaftung der Regenwälder

Auffälligstes Merkmal der pazifischen Küstenregenwälder sind die absolute Dominanz und die Dimensionen der Nadelbäume. Laubbäume existieren allenfalls in Einzelexemplaren oder sind auf den Unterstand beschränkt. Aufgrund der hohen Produktivität, des hohen Anteils wertvoller Starkhölzer (v. a. Küstenmammutbaum, Thuja und Douglasie) sowie der guten Erreichbarkeit vom Meer her, begann in den pazifischen Küstenregenwälder bereits sehr früh nach der Ankunft der europäischen Einwanderer die Holznutzung. Sie erfolgte und erfolgt noch immer weitaus überwiegend im Kahlschlag; früher in Verbindung mit Abtransport übers Meer (Flöße), heute in der Regel via Waldstraße. Die Auswirkungen dieser Nutzungsgeschichte sind deutlich sichtbar: nur noch auf gut der Hälfte der ursprünglichen Fläche finden sich in der Küstenregewaldzone reife Altbestände ("undeveloped"). Heute sind die pazifischen Küstenregenwälder bereits auf 44 % ihres Areals [4] durch Holznutzung, Rodung, Siedlung oder sonstige Erschließungen in ihrer Struktur deutlich verändert ("developed"). Und die "ruppige" Nutzungsform großer Kahlschläge hinterlässt vor allem in topographisch stärker gegliedertem Gelände unübersehbare Spuren in der Landschaft.

Es wäre allerdings ein Irrtum anzunehmen, die Europäer seien auf von Menschen gänzlich unbeeinflusste Küstenregenwälder getroffen. Seit etwa der Jungsteinzeit bevölkern Siedlungsgemeinschaften amerikanischer Ureinwohner kontinuierlich die Küstenregenwäldern. Diese durchgehende Besiedlung reicht weit zurück in eine Zeit, bevor die Thuja in den Küstenregenwäldern zu einer dominierenden Baumart geworden ist. Möglicherweise bilden damit die Küstenregenwälder denjenigen Bereich Nordamerikas, in dem die kontinuierliche Einflussnahme menschlicher Siedlungsgemeinschaften auf ihre Umwelt am weitesten zurück reicht.

Indianische Siedlungsgruppen

Die Entwicklung der Kulturen der indianischen Ureinwohner (USA: "Indian Americans"; Kanada: "First Nations") des pazifischen Nordwestens ist ausgesprochen eng mit den Wäldern verflochten, in denen sie lebten und leben. Einerseits lässt sich die Lebensweise und Kultur der indianischen Siedlungsgruppen ohne die Anpassung an und die Nutzung des Waldes nicht verstehen. Andererseits kam es dadurch auch schon in der voreuropäischen Zeit zu deutlichen strukturverändernden Einflussnahmen auf den Wald. Trotzdem: Der Einfluss der Europäer erfolgte wesentlich intensiver und führte innerhalb kürzester Zeit zu gravierenden Veränderungen auf erheblichen Flächen.

Die großflächigen, grob scherenschnittartigen Eingriffe in Waldökosysteme und Landschaftsbild haben in der jüngeren Vergangenheit zu zunehmenden Widerständen in der lokalen und überregionalen Bevölkerung gegen die Interessen der Holzindustrie geführt. Ein Beispiel hierfür bieten die Vorgänge um den Clayoquot Sound [5], einem intakten Küstenregenwaldgebiet auf Vancouver Island. In den 1990er Jahren war die Gegend ein Brennpunkt der internationalen Naturschutzbewegung und galt als Symbol für den Konflikt zwischen Naturschutz und Forstwirtschaft. Nach hitzigen und sehr kontrovers geführten Diskussionen und Rechtsstreitigkeiten erklärte die UNESCO 2000 das gesamte Gebiet zum Biosphärenreservat. Ein Jahr später wurden Teile des Gebiets in den erweiterten Pacific Rim Nationalpark integriert. Zusätzlich kam es zur Einrichtung weiterer, kleinerer Schutzgebiete. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Provinzregierung und ansässiger "First Nations" erarbeitete bis zum Jahr 2005 für alle Teile des Clayoquot Sound Nutzungs- und Entwicklungspläne, in denen ein Ziel von 40 % geschützter Urwälder vorgegeben wird [6].