Massenvermehrungen von Borkenkäfern gehören insbesondere im Westen der USA neben Waldbränden zu den stärksten Störungen bei der Waldentwicklung. Beispiele aus Gegenwart und jüngster Vergangenheit zeigen, dass teilweise sehr unterschiedliche Faktoren den Verlauf solcher Massenvermehrungen steuern können.

Befallsausmaß und Entwicklungen

Die US-Forstverwaltung fasst die wesentliche Lage in Bezug auf schädliche Insekten und Krankheiten für den Wald in den USA in einem Bericht zusammen, wo Jahr für Jahr darauf hingewiesen wird, dass Forstinsekten und Krankheiten katastrophale Schäden verursachen. Zwar tritt Mortalität beileibe nicht auf der Gesamtheit der bei der jährlichen Überwachung als Schadflächen kartierten Bereiche auf, bei denen auch Nadel- und Blattfraß erfasst werden. Zum Teil erreicht die Mortalität auf den kartierten Flächen jedoch erhebliche Ausmaße (Abb. 2). Insgesamt ergeben die jährlichen Schaderhebungen in einzelnen Jahren Größenordnungen von bis zu 5 Mio. ha. Selbst bei Berücksichtigung der immensen Waldflächen in den USA (rd. 310 Mio. ha; vgl. auch Jenkins 2013) repräsentiert dies mit knapp 2 % der Waldfläche eine alles andere als triviale Größenordnung, zumal die Schadereignisse in der Regel räumlich geballt auftreten.

Bei der Insekten-bedingten Mortalität spielen Borkenkäfer eine wesentliche Rolle. Mit Ausnahme des Southern pine beetle (Dendroctonus frontalis) betrifft Borkenkäferbefall dabei vor allem die Nadelwälder im Westen der USA (Abb. 3). Interessante Hinweise auf die Bedeutung des Borkenkäferbefalls liefert auch eine Gegenüberstellung mit der Waldbrandfläche, auch wenn aufgrund methodischer Unterschiede bei der Datenerhebung die beiden Flächenkategorien nicht direkt vergleichbar sind. Denn bei den in der Waldbrandstatistik erfassten Flächen dürfte zum weitaus überwiegenden Teil von hohen Mortalitätsgraden auszugehen sein, während die beim Borkenkäfer-Monitoring kartierten Flächen neben aktuell absterbenden Bäumen durchaus substantielle Bereiche einschließen, in denen im laufenden Jahr keine oder nur geringfügige Mortalität auftritt.

Selbst bei Berücksichtigung der eingeschränkten Vergleichbarkeit wird jedoch die enorme flächenmäßige Bedeutung von Borkenkäferbefall als Störfaktor eindrucksvoll veranschaulicht: so entsprechen die allein im Westen der USA kartierten Flächen mit Borkenkäferbefall im Durchschnitt in der Größenordnung etwa der Waldbrandfläche in den gesamten USA (Abb. 4). Vor allem die Vertreter der Borkenkäfer-Gattung Dendroctonus werden in Nordamerika ihrer lateinischen Bezeichnung in vollem Umfang gerecht, die sinngemäß "Baumtöter" bedeutet. Die meisten der Borkenkäferarten mit flächenmäßig relevanten Befallsflächen gehören nämlich zu dieser Gattung. Im Folgenden werden die Borkenkäferarten im Einzelnen dargestellt, die aktuell besonders nennenswerte Probleme verursachen.

Mountain pine beetle (Dendroctonus ponderosae)

Der Mountain pine beetle ist in einem Artikel bereits 1931 als der gefährlichste Borkenkäfer Nordamerikas bezeichnet worden und war auch in der jüngeren Vergangenheit für den größten Anteil des Borkenkäferbefalls in den USA verantwortlich. Im Jahr 2013 verursachte er etwas mehr als 35% der gesamten in den USA im Wald festgestellten Mortalität. Der Befall tritt ausschließlich im Westen auf. Über 95% der Befallsfläche entfallen davon auf den nördlichen Bereich; in Alaska tritt der Käfer nicht auf. Anzumerken wäre, dass die Artbezeichnung etwas irreführend ist: die taxonomische Erstbeschreibung des Mountain pine beetle basierte zwar auf aus Gelbkiefer (Ponderosa pine; Pinus ponderosa) stammenden Exemplaren. Tatsächlich ist jedoch der weitaus am stärksten bevorzugt befallene Wirt die Drehkiefer (Lodgepole pine; Pinus contorta). Die Gelbkiefer gehört zwar ebenso wie Whitebark pine (Pinus albicaulis) zu den Hauptwirtsbaumarten, ist jedoch deutlich weniger stark betroffen als die Drehkiefer.

Zu Anfang des Jahrtausends stiegen die Befallsflächen massiv an. Der Höhepunkt lag im Jahr 2009 (Abb. 6a). Die kartierte Befallsfläche entsprach in diesem Jahr rechnerisch mehr als der Hälfte des Waldtyps "Lodgepole pine", der die Haupt-Wirtsbaumart beinhaltet. Und auch bei Einbeziehung des "Nebenwirts" Gelbkiefer ergab sich ein Befallsäquivalent von knapp einem Viertel der Waldtypen "Lodgepole pine" und "Ponderosa pine".

Dabei bilden die US-Befallsstatistiken nur einen (kleineren) Teil des Käferproblems ab: parallel dazu lief auch in den Drehkiefern-Wälder im Westen Kanadas (vor allem in British Columbia; Abb. 5) eine Kalamität geradezu unglaublichen Ausmaßes ab, bei der in einzelnen Jahren bis zu knapp 100 Mio. ha Wald betroffen waren und teilweise über 120 Mio. m³ Schadholz anfielen (Abb. 6b).

Als wichtigster Auslöser gilt das Zusammenwirken der beiden folgenden Faktoren:

  • Einerseits hatte die Verfügbarkeit stärker dimensionierter Kiefern einen historischen Höchststand erreicht, die für die Käfer das bevorzugte Brutmaterial bilden. Bedingt wurde diese Entwicklung mutmaßlich vor allem durch effektive Waldbrandbekämpfung sowie rückläufige Holzeinschläge.
  • Andererseits hatten klimatische Veränderungen in der jüngsten Vergangenheit offenkundig dazu geführt, dass zwischenzeitlich die bisher für die Begrenzungen der Populationen entscheidende Mortalität im Winter deutlich zurückgegangen ist.

Gegenwärtig ist der Befall sowohl in den USA als auch in Kanada rückläufig. Die Hauptursache für den Rückgang dürfte neben teilweise kältebedingter Mortalität vor allem darin liegen, dass sich in der Folge des massiven Befalls die Verfügbarkeit des bevorzugten Brutmaterials – stärker dimensionierte Drehkiefern – teilweise nahezu erschöpft hat. Im Verlauf der Massenvermehrung haben die Käfer in Kanada sogar die bisherige natürliche Verbreitungsgrenze der Rocky Mountains übersprungen und sich in Alberta und den Nordwestterritorien in Drehkiefern-Wälder in Gebieten ausgedehnt, die östlich der bisherigen Verbreitungsgrenze der Käfer lagen. Momentan ist diese östliche Grenze des Käferbefalls daher deckungsgleich mit der östlichen Verbreitungsgrenze der Drehkiefer.

Weiter nach Osten schließt dann an das Areal der Drehkiefer eine andere Kiefernart an: die Banks-Kiefer (Jack pine; Pinus banksiana). Aufgrund der bisherigen Verbreitungsgrenze waren die Käfer mit dieser Kiefernart kaum in Kontakt gewesen, weshalb die Banks-Kiefer bisher nicht als Wirtsbaum genutzt wird. Aus dem Übergangsbereich der beiden Kiefernarten, in dem auch Hybriden beider Arten vorkommen, mehren sich nun allerdings beunruhigende Hinweise darauf, dass sich die Käfer gegenwärtig möglicherweise an Banks-Kiefer als neue Wirtsbaumart anpassen (Safranyik et al. 2010, Cullingham et al. 2011). Bei erfolgreicher Anpassung könnte sich daraus ein neues Problem entwickeln. Im Prinzip bestünde dann aufgrund der klimatischen Gegebenheiten massive Befallsgefahr durch Mountain pine beetle für nahezu die gesamte boreale Nadelwaldzone bis weit in den Osten hinein.

Spruce beetle (Dendroctonus rufipennis)

Die Befallsschwerpunkte dieser Art liegen in Fichtenwäldern der Hochlagen im Westen der USA (Abb. 7a) sowie in Alaska. Vereinzelt tritt auch im Osten (Maine, New Hampshire) Befall auf. Der Höhepunkt der Befallsaktivität in Alaska vor allem an der Weißfichte (White spruce; Picea glauca) lag in den 1990er Jahren (Abb. 8) und erstreckte sich auch auf die Fichtenwälder des benachbarten kanadischen Yukon-Territoriums (Abb. 7b): im Jahr 2008 wurde hier die infolge Spruce beetle Befall bedingten Ausfälle auf rd. 370 Tsd. ha beziffert (Hawkes et al. 2014).

Während im nördlichen Verbreitungsgebiet (Alaska, Yukon) der Käferbefall in jüngster Vergangenheit rückläufig ist, zeigt er im Westen der USA vor allem an der Engelmann-Fichte (Engelmann spruce; Pic. engelmannii) dagegen eine deutlich ansteigende Tendenz (Abb. 8).

Als eine der Hauptursachen für die Massenvermehrung werden auch bei dieser Borkenkäferart thermische Faktoren vermutet. Aufgrund der kühlen Klimacharakteristik in den Hauptverbreitungsgebieten entwickeln sich die Käfer vergleichsweise langsam. Die Regel ist eine zweijährige Generationsdauer, seltener ein- oder dreijährig. Verbessertes Wärmeangebot kann durch Erhöhung des Anteils von Käfern mit kürzerer Entwicklungsdauer das Vermehrungspotential dieser Käferart substanziell steigern. Als besonders kritisch wird dabei vor allem ein Anstieg des Anteils einjähriger Generationen eingeschätzt. Ebenfalls eine besondere Rolle spielt die in sommerlichen Trockenperioden beeinträchtigte Widerstandskraft der Wirtsbäume.

Eine besondere bekämpfungstechnische Herausforderung ergibt sich aus der Überwinterung der Käfer am Stammfuß stehender Bäume (Abb. 9), die als Anpassung an kalte Klimate verstanden werden kann. Wahrscheinlich durch die isolierende Wirkung der Schneelage ist hier die Mortalität der Überwinterer ausgesprochen gering. Außerdem liegen diese Überwinterungsquartiere regelmäßig unterhalb der Höhe des Fällschnitts, so dass die Käfer beim zu späten Einschlag befallener Bäume gar nicht erfasst werden. Vor allem in den wenig erschlossenen Hochlagen ist die Situation so schwierig, dass in den meisten Fällen so gut wie keine wirkungsvollen Bekämpfungsmaßnahmen stattfinden. In der Folge entwickelt sich daher in den Hochlagenbeständen aus Engelmann-Fichten in den Rocky Mountains ein nahezu ungebremster Käferbefall.

Douglas-fir beetle (Dendroctonus pseudotsugae)

Befall durch den Douglas-fir beetle (Abb. 1+11) wurde in der jüngeren Vergangenheit vor allem im Zusammenhang mit Vorschwächungen durch Waldbrände und nach Sturm- und Nassschneeschäden sowie Kahlfraß durch Raupen oder Pilzerkrankungen der Wurzeln beobachtet. Zwar traten Befallsflächen in substanziellen Größenordnungen auf (Abb. 10a). Doch im Verhältnis zur Gesamtfläche der Douglasienwälder (in der US-Inventur erfasst unter dem Waldtyp "Douglas-fir forest type") gesehen, wiegt der Befall im Vergleich zu anderen Borkenkäferarten nicht besonders schwer. Die kartierte Befallsfläche entsprach selbst im Jahr mit dem stärksten Befall (2005) lediglich einem Äquivalent von unter 2 % der Fläche des Douglasien-Waldtyps.

Im langjährigen Mittel liegt der Schwerpunkt des Befalls im nördlichen Bereich des Westens der USA (Abb. 3). Gegenwärtig ist es allerdings so, dass vor allem im Südwesten der USA anhaltender aktiver Befall festzustellen ist, während die Befallsflächen ansonsten eher rückläufig sind. Außerdem scheinen die Gebiete, in denen die Inlandsform der Douglasie vorkommt, gegenwärtig deutlich stärker vom Käferbefall betroffen als der Bereich mit den Küsten-Herkünften im Pazifischen Nordwesten.

Western pine beetle (Dendroctonus brevicomis)

Auch der Western pine beetle gehört zu den Dendroctonus Arten, die zu aggressivem Stehendbefall in der Lage sind. Bevorzugte Wirtsbaumart ist die im Westen der USA weit verbreitete Gelbkiefer (Pinus ponderosa). Hier verursacht der Käfer einen Befall in nennenswerten Größenordnungen. Betroffen sind vorzugsweise spätere Altersphasen, wenn die Bäume stärkere Dimensionen erreicht haben. Die Befallsflächen treten – über einen längeren Zeitraum betrachtet – allerdings deutlich hinter denen der bereits genannten Mountain pine beetle, Spruce beetle und Douglas-fir beetle zurück (Abb. 10a).

Southern pine beetle (Dendroctonus frontalis)

Beim Southern pine beetle (Dendroctonus frontalis) stellt sich die Waldschutzsituation derzeit zwar sehr entspannt dar. Die aktuellen Befallsstatistiken weisen Schadflächen in allenfalls marginaler Größenordnung aus (Abb. 10a). Die aktuelle Situation ist jedoch geeignet, den Blick auf das geradezu explosive Gefährdungspotential dieser Käferart zu verstellen.

Fir engraver beetle (Scolytus ventralis)

Während sich die europäischen Vertreter der Gattung Scolytus ausschließlich an Laubbäumen finden, befällt der Fir engraver beetle Nadelbäume, und zwar vor allem verschiedene Tannenarten. Der Befall erfolgt überwiegend an abgebrochenen Kronenteilen oder windgeworfenen Bäumen. Gelegentlich sind die Käfer jedoch durchaus auch zu aggressivem Stehendbefall in der Lage. Im Gegensatz zu den Dendroctonus-Arten führt Scolytus-Befall allerdings nur relativ selten zum Absterben voll vitaler Bäume. Meist kommt es nur zum Absterben einzelner Äste oder der oberen Kronenteile. Die bei der Borkenkäferüberwachung ermittelten recht umfangreichen Befallsflächen durch diesen Käfer (Abb. 10b) korrespondieren daher regelmäßig nur mit einem eher geringen Niveau an Baummortalität. Bei zusätzlichen Schwächungsfaktoren, beispielsweise Dürre, Wurzelfäulen oder Kahlfrass, kann es jedoch auch zu nennenswerteren Ausfällen kommen.

Pinyon Ips (Ips confusus)

In Nordamerika spielen die Vertreter der Gattung Ips nur eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Die größten Befallsflächen verursachte bisher der Pinyon Ips (Ips confusus). Hauptverbreitungsgebiet ist der Südwesten, wo dieser Käfer verschiedene zur Gruppe der Pinyon-Kiefern zählende Kiefern-Arten befällt. Pinyon-Kiefern sind relativ kleine, eher buschartige Bäume, die zusammen mit Wachholderarten die lockeren, halboffenen Waldformationen des "Pinyon-juniper type" bilden (vgl. auch Jenkins 2013).

Der Pinyon Ips durchlief 2003 und 2004 eine explosionsartige Massenvermehrung (Abb. 10b). Zu dieser Zeit traten jeweils in den Vorjahren 2002 und 2003 selbst für den ohnehin heiß-trockenen Südwesten außergewöhnlich starke Hitzeperioden auf, die die Widerstandskraft der Wirtsbäume offenbar so stark beeinträchtigten, dass der ansonsten eher deutlich sekundäre Borkenkäfer zum erfolgreichen Stehendbefall übergehen konnte. Mit Rückkehr zum "normalen" thermischen Regime brach die Massenvermehrung dann allerdings rasch wieder zusammen. Im Gegensatz zu vielen Dendroctonus Arten war der Pinyon Ips demnach bei dieser Massenvermehrung offensichtlich nicht zum aggressiven Stehendbefall vitaler Bäume übergegangen, sondern hatte lediglich von einer massiven, aber vorübergehenden Schwächung seiner Wirtsbäume profitiert.

Im Vergleich zum Pinyon Ips spielen dagegen andereIpsBorkenkäfer allenfalls eine untergeordnete Rolle: in der Summe erreicht die Befallsfläche aller anderenIps-Arten zusammengenommen bei weitem nicht das Ausmaß der vom Pinyon Ips allein verursachten Befallsfläche (Abb. 10b). Erwähnenswert erscheint die Gattung Ips trotzdem vor allem deshalb, weil hierzu einige Vertreter zählen, denen die Anfänge der Pheromonforschung bei Borkenkäfern ihren Durchbruch verdankt. So wurde im Jahr 1948 erstmals bei Ips pini für Borkenkäfer gezeigt, dass die enorme Lockwirkung befallener Hölzer von den Käfern selbst ausgelöst wird (Anderson 1948) und nicht etwa auf obskuren wirtsbürtigen Stoffen beruht, wie lange Zeit immer wieder fälschlich gemutmaßt worden war. Und auch der Erstnachweis der chemischen Struktur eines Borkenkäfer-Aggregationspheromons gelang 1966 bei einem Vertreter der Gattung: Ips paraconfusus (Silverstein et al. 1966), einem allerdings erst 1970 als eigenständige Art beschriebenen Vertreter, der bis dahin noch unter der Bezeichnung Ips confusus mit subsummiert worden war.