Der Bildungsauftrag der Forstbehörden nach der Forstreform

Im Jahr 2004 nahmen mehr als 175.000 Kinder an 7.850 waldpädagogischen Veranstaltungen teil. Damit wurden in Bayern 80 Prozent aller Schulklassen erreicht, in deren Jahrgangsstufe der Wald im Lehrplan steht und die daher Hauptzielgruppe sind. Dies war noch vor der Forstreform. Nun hat die Waldpädagogik den 01. Juli 2005 als Dienstaufgabe der Forstbehörden und als gesetzlicher Bildungsauftrag unbeschadet überstanden. Wie sie jedoch auch zukünftig ausgefüllt werden und steigenden Qualitätsansprüchen genügen kann, hängt entscheidend davon ab, welcher Stellenwert der Waldpädagogik in der neu strukturierten Forstverwaltung beigemessen und mit welchen Strategien sie umgesetzt wird.

Viele Analysen des Bildungsniveaus, oft mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen, wurden in den letzten Jahren veröffentlicht. Einige Defizite tauchen jedoch fast in allen Studien auf und dies nicht nur bei Grundschülern, sondern häufig schon im Kindergartenalter. Wissen und Zusammenhänge werden zwar verstanden, können aber oft nicht weitervermittelt werden. Viele Kinder haben Schwierigkeiten, sich zu erklären. Dies ist häufig auf Sprachstörungen, Entwicklungsverzögerungen oder motorische Defizite zurückzuführen. Erlerntes Wissen kann außerdem oft nicht angewendet werden und das Denken in Modellen fällt schwer. Nicht selten fehlt es an sozialen und emotionalen Kompetenzen oder an guten Vorbildern.

Wenn Drittklässler Kühe für lila halten oder neben 16 Automarken nur zwei Baumarten kennen, erscheint das manch einem nur als Spitze des Eisberges. Viele Pädagogen, Erzieher und Eltern bringen Bildungsdefizite bei Kindern oder Orientierungslosigkeit bei Jugendlichen mit dem Mangel an festen Wurzeln und unverrückbaren Werten in Verbindung. Denn nur wer weiß, wo er herkommt und wo er steht, kann auch wissen, wo es hingehen soll.

Waldpädagogik ist unverzichtbar für nachhaltige Entwicklung

Wohl auch vor diesem gesellschaftlichen und bildungspolitischen Hintergrund orientiert sich Umweltbildung mehr und mehr an den Zielen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. Die gleichnamige UN-Dekade (2005-2014) verlangt auch der Umweltbildung ab, dass Verhaltensweisen, Lebensstile und Kompetenzen erlernt werden, die für eine lebenswerte Zukunft und für eine positive gesellschaftliche Veränderung erforderlich sind. Bildungsziele sollen dabei neben ökonomischen und ökologischen Aspekten auch soziale, kulturelle und weltweite Zusammenhänge einbeziehen. Das erfordert eine Vernetzung der jeweiligen Akteure.

In diesem Gefüge hat die Waldpädagogik in Bayern eine nicht mehr wegzudenkende Rolle eingenommen! Sie leistet unter dem Dach einer Bildung für nachhaltige Entwicklung bereits unverzichtbare Beiträge. Waldpädagogik setzt bei bestehenden Bildungsdefiziten an. Forstliche Bildungsangebote lassen Zusammenhänge erleben und bieten viele Ansätze für anwendungsorientiertes und modellhaftes Lernen. Längerfristige Projekte, Gruppenarbeit oder praktische Arbeiten im Wald fördern Teamfähigkeit und Kommunikation. Der Wald ist nicht nur Lernort, sondern Ort der Stille, des Austobens, der Bewegung, der körperlichen Aktivität oder des selbstentdeckenden Lernens. Er bietet so Freiräume, in denen auch soziale und emotionale Kompetenzen wachsen können.

Waldpädagogik setzt sich außerdem mit der nachhaltigen Ernte von Holz sowie mit den Öko- oder Energiebilanzen dieses nachwachsenden Rohstoffes auseinander und vermittelt so auch Motive und Interessen der wirtschaftenden Waldbesitzer. Wer als Kind lernt, was ein zukunftsfähiger Wald ist, setzt sich als Erwachsener eher dafür ein, dass der Wald seine vielfältigen Funktionen auch weiterhin erfüllt. Wer als Kind versteht, wie Wald verantwortungsvoll genutzt werden kann, kann als Erwachsener eher abwägen und entscheiden, wenn er im Spannungsfeld wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Interessen Position beziehen muss.

Schließlich spielt Waldpädagogik auch eine Rolle, wenn es darum geht, kulturelles Erbe zu vermitteln. Unser heutiges Landschaftsbild ist eng mit der Waldgeschichte Bayerns verknüpft und der Wald hat in Literatur, Malerei und Musik manchen Künstler zu unvergessenen Werken animiert. Auch hier stellen forstliche Bildungsangebote wichtige Verbindungen her.

Aber braucht es dafür Förster? Und müssen es dann auch noch Beamte der Forstverwaltung sein? Unbedingt! Denn:

"Die Waldführung mit dem Förster ist einfach authentisch, einfach echt!"

So äußern sich Lehrer immer wieder, nachdem sie mit ihrer Schulklasse beim Förster waren. Wer kann denn waldbezogene Umweltbildung glaubhafter durchführen als der Forstbeamte vor Ort, der Berufserfahrung mitbringt, der weiß, wovon er spricht, der mit allen anderen Interessensgruppen vertraut ist, der als Vorbild wirken kann? Wer kann die Interessen von Waldbesitzern besser verstehen und vertreten und damit auch wirtschaftliche Aspekte bei Waldführungen kompetent ansprechen? Niemand! Ganz abgesehen davon, dass die flächendeckend angebotenen Waldführungen im Rahmen des gesetzlichen Bildungsauftrages kostenfrei oder nur gegen geringe Gebühren angeboten werden. Daran soll festgehalten werden, denn im Rahmen schulischer Veranstaltungen sind höhere Teilnehmerbeiträge kaum zumutbar. Waldführungen für Schulklassen sind daher auch als Einkommensquelle für freiberufliche Anbieter nur bedingt von Interesse.

Auf Waldpädagogik als Bildungsauftrag der Forstbehörden darf man daher keinesfalls verzichten, wenn bayerische Schulklassen auch weiterhin in den Wald kommen sollen. Schüler müssen bei ihrer Waldführung auch zukünftig auf den zuständigen Förster der Bayerischen Forstverwaltung treffen.

Waldgesetz für Bayern (BayWaldG) vom 22.07.2005

Art. 28 Aufgaben der Forstbehörden

(1) Den Forstbehörden obliegen im Vollzug dieses Gesetzes
1. die forstliche Fachplanung (Art. 5 und 6),
2. die Einrichtung von Naturwaldreservaten (Art. 12a),
3. die Durchführung von Aufforstungen aus Gründen des öffentlichen Wohls (Art. 16 Abs. 5),
4. die durch Vertrag übernommene Betriebsleitung und Betriebsausführung im Körperschaftswald (Art. 19),
5. die Erstellung der Forstwirtschaftspläne und Forstbetriebsgutachten im Körperschaftswald (Art. 19),
6. die Förderung der Forstwirtschaft und ihrer Selbsthilfeeinrichtungen (Art. 19 bis 22),
7. die Forstaufsicht (Art. 26), soweit nicht andere Behörden zuständig sind,
8. Waldpädagogik als Bildungsauftrag,
9. die Sanierung der Schutzwälder nach Art. 10 Abs. 1,
10.Erhebungen zur Situation der Waldverjüngung und des Waldzustandes in regelmäßigen Abständen.

(2) Die Forstbehörden werden bei der Erfüllung der Aufgaben von der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft unterstützt.

Zukunftsstrategien nach der Forstreform

Mit der Forstreform hat der Zielerreichungsgrad von ca. 80 Prozent einen kräftigen Dämpfer erhalten. Die Frage, ob auch zukünftig die Hauptzielgruppen in befriedigendem Umfang bedient werden können, ist offen. Ob eine anstehende Revierorganisation Freiräume für die Dienstaufgabe Waldpädagogik schaffen kann, muss abgewartet werden, jedoch ist die Wichtigkeit dieser Aufgabe erkannt und wird berücksichtigt werden - hoffentlich auch in Form konkreter Arbeitszeitanteile. In jedem Fall wird sich bald zeigen, welches Bildungsangebot die Forstverwaltung noch in qualitätsgesicherter Form selbst bewältigen kann. Dieser Eigenanteil sollte so hoch wie möglich ausfallen. Dem, was vielleicht nicht mehr zu bewältigen ist, darf nicht nachgetrauert werden. Die Lücke bietet auch Chancen, sich mit gut auszuwählenden Partnern zu vernetzen, andere mit ins Boot bzw. in den Wald zu holen, Synergien zu nutzen und dabei Programme zu verbessern. Die Verantwortung für Inhalte und Qualität in der forstlichen Bildungsarbeit - das Management der Waldpädagogik - bleibt Kernaufgabe der Forstverwaltung.