"Wie sieht Ihr Idealwald aus?" mit dieser Frage, einer Magnettafel und verschiedenen Waldmotiven positionierte sich die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden Württemberg (FVA) beim Freiburger Wissenschaftsmarkt 2015. Damit nutzte die Abteilung Wald und Gesellschaft der FVA die Möglichkeit mit Teilnehmenden spielerisch über den Wald ins Gespräch zu kommen.

Die Abteilung Wald und Gesellschaft der FVA untersucht mit sozialwissenschaftlichen Methoden, was die Bedürfnisse der Bevölkerung in Bezug auf Wald sind. Erforscht wird, wie eine bedürfnisgerechte, nachhaltige Waldbewirtschaftung gestaltet und kommuniziert werden kann. Um sich mit einem Aktionsstand auf dem Wissenschaftsmarkt auf zugängliche Weise zu präsentieren, wurden eine Magnetwand sowie die dazugehörigen Figuren von PEFC Deutschland e. V. ausgeliehen und um einige Figuren erweitert, die potentiell kontroverse Themen wie Windenergie, Mountainbiken, Wolf und Jagd abbilden. Auf die Frage "Wie sieht Ihr Idealwald aus?" konnten die Teilnehmenden Figuren auswählen und auf der leeren Wand ihr individuelles Waldbild kreieren. Sie sprachen danach mit den Standbetreuern und füllten einen kurzen Fragebogen aus. Zum Schluss durften die Teilnehmenden ihr Bild vom Wald als ausgedrucktes Foto mit nach Hause nehmen. Die Gespräche rund um die Bilder und den Stand wurden gleich im Anschluss in Gedächtnisprotokollen dokumentiert. An der Aktion haben sich an zwei Tagen 64 Personen zwischen 5 und 78 Jahren mit einem eigenen Bild beteiligt; viele mehr sind mit den Standbetreuenden ins Gespräch gekommen. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden geht laut eigenen Angaben einmal oder mehrmals pro Woche in den Wald. Man kann also mutmaßen, dass mit dieser Methode eher Personen aktiviert werden, die schon ein Interesse am Wald und an Waldthemen mitbringen. Allerdings halten sich zwei Drittel der Baden-Württemberger zumindest im Sommer tatsächlich so häufig im Wald auf, weit mehr als im bundesdeutschen Durchschnitt. Insgesamt lässt sich als erfreuliches Ergebnis festhalten, dass Menschen aller Altersklassen und Bildungsschichten dafür gewonnen wurden, der FVA ihre persönliche Sicht auf den Wald zu visualisieren. Die Tafel war ein geeignetes Medium, um mit unterschiedlichen Menschen in den Austausch zu kommen.

An der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Abteilung Forstpolitik) hat eine Arbeit zur Magnetwandmethode von Dörte Marie Peters und Ulrich Schraml unter dem Titel "Kognitive Karten zur Nachhaltigkeit im Wald oder Der Igel versteckt sich vor dem Harvester" aufgezeigt, wie man sie zu Forschungszwecken einsetzen kann. Auf dem Wissenschaftsmarkt stand dagegen der Dialog mit der Bevölkerung über ihre Erwartungen an den lokalen Wald im Vordergrund. Im Prozess der Bildgestaltung fand eine Auseinandersetzung mit Erinnerungen, Erfahrungen und Wissen statt. Eine teilnehmende Dame kam später erneut zum Stand und bedankte sich, immer noch ganz beseelt: "Bei der Aktion habe ich 70 Jahre Wald reflektiert, Kindheitserinnerungen wurden geweckt." Bilder sind vieldeutig: Man kann Dinge zum Ausdruck bringen, die schwer in Worte zu fassen sind. Wegen dieser Vieldeutigkeit war die Aktivität am Infostand zweiteilig: Ein Bild gestalten und es mündlich und schriftlich kommentieren. So eingesetzt bringt die Magnettafel Menschen in den Austausch zu Waldthemen. Die Bilder selbst sind ein kreativer Teil dieser Kommunikation.

Die Aufgabenstellung wurde gut angenommen, denn: kaum jemand hat einen realistischen Wald, der dem alltäglichen Erleben entspricht, dargestellt. Die Teilnehmenden haben das Medium genutzt, um ihre Wünsche, Themen und Anliegen zu kommunizieren, indem sie ihren "idealen Wald" kreierten.

Wolf und Luchs üben große Faszination aus

Luchs und Wolf waren äußerst beliebte Motive, hiervon wurden auch gerne alle verfügbaren Magnete angebracht. In Baden-Württemberg sind diese zwei zwar zuweilen in den Schlagzeilen, aber sie sind derzeit mitnichten typische Waldbewohner. Man kann ihre Präsenz im "idealen Wald" somit als Positionierung zu einer forstpolitischen Debatte lesen: "Luchs und Wolf", kommentiert ein 28-jähriger Teilnehmer auf dem Fragebogen, "einst vertriebene Tierarten holen sich ihr Revier zurück". Von vielen wird dieser Prozess explizit oder implizit (mittels der Bildsprache) begrüßt. Wenn ein 7-jähriger Teilnehmer "file Rauptire" als Highlight in seinem Wald im Fragebogen notiert, ist das natürlich keine politische Stellungnahme, aber es zeigt, dass die großen Beutegreifer eine besondere Faszination ausüben. Bei manchen Erwachsenen kam auch die Sorge vor gefährlichen Tieren zur Sprache: sie fühlen sich zu wenig informiert, wie gefährlich Luchs, Wolf und Wildschwein werden können und wie man sich oder seine Kinder im Ernstfall schützen kann. Sie gefährden auch das idealisierte Bild vom Wald als einem Ort der Harmonie – Wolf und Reh wurden zuweilen räumlich deutlich getrennt. Widersprüche zwischen dem idealen Wald und der Realität natürlicher Prozesse traten dabei aber immer wieder zutage. Er (entsetzt): "Was, du stellst den Wolf zum Reh?!" Sie: "Ja gut, der braucht ja auch was zu fressen."

Mensch ist Gast im Wald

Auch hinsichtlich des Umgangs mit Menschen im Wald, ja sogar mit eigenen Hobbys und Waldnutzungen, offenbarten sich Widersprüche. Viele Kinder, aber auch viele Erwachsene, sehen den Wald vor allem als Lebensraum für Tiere und Pflanzen. In wirklich jedem der Magnet-Wälder hatten Tiere einen prominenten Platz. Menschen, die sich in Baden-Württemberg zu 85% in ihrer Freizeit auch gerne mal im Wald aufhalten, waren auf einem Drittel der Bilder völlig abwesend und wurden auf den anderen mit besonderer Sorgfalt ausgewählt und platziert: Mit oder ohne Absicht fanden sie sich häufig am Bildrand wieder und manchmal durften nur Menschen ins Bild, die dort ihrer forstlichen Arbeit nachgehen. Ein 73-jähriger Teilnehmer stellte rigoros alle auf den Kopf, die im Wald nichts verloren haben: Joggerin, Mountainbiker und Jäger. Nur die Spaziergängerin durfte hinein in seinen Wald und mit schelmischem Lächeln setzte er den Wolf auf die Störenfriede an: "Der Wolf soll die Radfahrer und Jogger fressen".

Welche Nutzergruppen sich legitim im Wald aufhalten, ist ein kontroverses Thema. Eine Teilnehmerin räumte ein, dass der Förster natürlich in den Wald gehört, sie ihm dort aber nicht begegnen möchte. "Es soll ja mein idealer Wald sein." Und in dem, so können wir an ihrem Bild ablesen, bleibt der Förster unsichtbar. Ein 13-jähriger Junge wiederum kokettierte geradezu mit seinem Wissen um die Kluft zwischen ideal imaginiertem und real genutztem Wald. Verschmitzt grinsend gab er vor, zuerst einmal Jäger, Mountainbiker und Waldarbeiter auf die Tafel setzen zu wollen, um dann lachend abzuwinken: "Nee, dann wäre es ja das Gegenteil von Wald." Dass hier ein vielschichtiger Prozess am Wirken ist, wurde deutlich, als seine Mutter darauf aufmerksam machte, dass er selbst doch sehr gerne Mountainbike fahre. Selbst den Wald zu genießen, sich aber dennoch einen Wald ohne Menschen zu wünschen, scheint paradox.

Totholz wird wiederbelebt

Die Diskrepanz zwischen der Einstellung der Teilnehmenden und ihren Bildgestaltungen offenbart jedoch nicht unbedingt eine widersprüchliche Haltung; sie kann auch Defizite im Wissen um ökologische Zusammenhänge aufzeigen. Als Beispiel kann ein junges Paar dienen, das sich im Rahmen ihrer Bildgestaltung nach der Bedeutung eines Motives erkundigte und auf die Bezeichnung "Totholz" hin kritisch dreinblickend kommentierte: "Nein, wir wollen kein totes Holz im Wald!". Dies regt besonders zum Nachdenken an, da im Fragebogen von denselben Personen die Bedeutung der Artenvielfalt im Wald hervorgehoben wurde, ein Bewusstsein für die Bedeutung des Lebensraumes Totholz aber zu fehlen schien. Trotz solcher Missverständnisse war Totholz in Zweidritteln aller Bilder zu finden. Darüber hinaus offenbarten viele der Teilnehmenden ein zugrundeliegendes Verständnis für dessen ökologische Bedeutung. So wurde mehrfach thematisiert, dass Totholz eigentlich liegen müsse, der vorliegende Magnet jedoch einen stehenden Baum darstelle. Dreimal wurde das Totholz dementsprechend liegend positioniert.

Die Verteilung von Verwendung oder Ablehnung des Motivs während des Wissenschaftsmarktes spiegelt die Ergebnisse einer Untersuchung zur Akzeptanz von Totholz wieder: Über die Hälfte der Befragten verstand dort den Begriff als Lebensraum vieler Pflanzen und Tiere (56,8%), während 18% lediglich abgestorbene Bäume bzw. Äste damit verknüpften. Diese zunächst neutrale Kategorie kann negative Assoziationen, beispielsweise an Waldsterben, auslösen. Denn jenseits der ökologischen Bedeutung von Totholz muss man bedenken, dass der "Tod" eine für viele Menschen negativ besetzte symbolische Aufladung hat. Es gibt somit verschiedene Erklärungsansätze, die die Abwehr des jungen Paares verständlich erscheinen lassen. In anderen Fällen wurde das Totholz kurzum "wiederbelebt", indem ein als Busch gedachter Magnet als Baumkrone auf dem kahlen Stamm platziert wurde. Durch die Kombination zweier Magneten wurde das abgestorbene Holz zu einem Symbol des Lebens umgemünzt.

Wissen über Wald vorhanden

Deutlich wurde an den zwei Tagen insgesamt, dass die Teilnehmenden an fachlichen Informationen sehr interessiert sind und ihr vorhandenes Wissen auch gerne beim spielerischen Waldbau in die Waagschale werfen. So ließen sich auf Bildern von Erwachsenen Bemühungen erkennen, Zonen für unterschiedliche Nutzungsarten zu schaffen und diverse Biozönosen einzurichten. "Da fehlen ja die heimischen Baumarten!" beschwerte sich einer und ein anderer gab zu bedenken, dass 80% der Lebewesen am und im Boden leben, wir dafür aber gar keine Magnete dabei hatten. Obwohl nur zwei Teilnehmende selbst einen forstlichen Hintergrund hatten, fielen Fachbegriffe und populärwissenschaftliche Ausdrücke: Artenvielfalt war das verbreitetste Schlagwort, auch der Mischwald wurde häufig genannt; es war die Rede von Nachhaltigkeit, Biotopen, Naturnähe und Mikrostandorten. Eine 78-jährige Dame erläuterte die negativen Folgen von "viel zu dicht" stehenden "Koniferen" für die Waldgesundheit. Tiere wurden an mehr oder weniger artgerechten Orten platziert: der Specht am Totholzstamm, Luchse zwischen Felsbrocken, Ameisenhügel unter Nadelbäumen und manchmal sogar das Auerhuhn an lichten Standorten. Reh, Luchs und Wildschwein lugten hinter Bäumen und Büschen hervor. Der Dialog zeigte eine aufgeschlossene, manchmal kritische Öffentlichkeit, die sich im Gespräch mit dem eigenen Wissen einbringen möchte. Auch wenn die fachliche Meinung von der laienkundlichen abweichen mag, im Bereich Waldwissen liegt Anknüpfungspotential für den respektvollen Austausch zwischen Forstprofis und Erholungsuchenden, sofern es gelingt, ein echtes gegenseitiges Interesse zu zeigen.

Chancen zum Dialog

Die Bevölkerung wäre für einen intensiveren Austausch mit Sicherheit dankbar: nur 6% der Bundesdeutschen finden es gänzlich unwichtig, sich mit Natur auszukennen. Aber auch die Forstverwaltungen könnten vom direkten Austausch profitieren. Denn in den letzten Monaten haben sich Teile der Bevölkerung, z.B. in Baden-Württemberg, zu forstpolitischen Fragen manches Mal kritisch zu Wort gemeldet und dabei den Umweg über die Medien gewählt: So folgte zum Beispiel auf die Auszeichnung des baden-württembergischen Schönbuchs als "Waldgebiet des Jahres 2014" durch den Bund Deutscher Forstleute eine Medienkampagne entrüsteter Bürgerinnen und Bürger, die ausgerechnet in diesem vermeintlich vorbildlichen Wald hässliche Rückegassen und Waldschäden in den Fokus rückten. Von ähnlichen Konflikten und Herausforderungen berichten Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern. Eine früher als harmlos geltende waldbauliche Maßnahme kann dazu führen, dass ein medialer "Shitstorm" über eine lokale Forstbehörde hereinbricht. Im Internet verbreitet sich Kritik wie ein Lauffeuer. Die Anforderungen an die Legitimierung von forstlichem Handeln in der Öffentlichkeit scheinen immens gewachsen.

Zwar hat eine Studie zur Akzeptanz der Forstwirtschaft in Baden-Württemberg gezeigt: die Försterin bzw. der Förster wird als die Institution wahrgenommen, die sich besonders verantwortlich um den Wald kümmert. Als weniger gut beurteilten die Befragten aber wie sich Forstakteure um die Belange der Menschen kümmern. Auch ist es mit Blick auf aktuelle Konflikte problematisch, dass das forstliche Personal und Forstverwaltungen von vielen Waldbesuchenden als Ansprechpartner gar nicht erkannt werden. Hohe Arbeitsbelastung und stetig wachsende Reviere tun das Übrige.

In dieser angespannten Situation macht sich eine Aufbruchsstimmung bemerkbar, neue Wege der Kommunikation und der Partizipation zu gehen, für die auch sozialwissenschaftliche Grundlagen wegweisend sind: Es gibt Tagungen, die sich der "Kampagnenfähigkeit der Forstwirtschaft" widmen, Forschungsprojekte, die die Haltungen der Bürger zu Waldthemen für Forstverwaltungen nachvollziehbar machen, Potentiale der Bürgerbeteiligung analysieren und Vorschläge entwickeln, um die Öffentlichkeitsarbeit zu professionalisieren.

Visuelle Methoden wie die Magnettafel sind, wenn man sie systematisch anwendet, für die sozialwissenschaftliche Forschung zu Wald und Gesellschaft wertvoll. Gewinnbringend sind sie auch, wenn forstliche Institutionen sie als Auftakt für einen Dialog nutzen, der das gegenseitige Verständnis fördert und sich dabei in der unmittelbaren Interaktion mit Bürgerinnen und Bürgern präsent zeigen. Die Arbeit mit der Magnettafel bot den Mehrwert, Wald als Gesprächsgegenstand auch jenseits von Sprache habhaft zu machen. Gerade weil die mit Wald verbundenen Sehnsüchte und Erwartungen so widersprüchlich sind, ist das Visuell-Visionäre der Methode hilfreich: So rückten Bilder und Assoziationen in den Blick und die Beteiligten auf beiden Seiten wurden zum Nachdenken angeregt. Die durch Bilder angestoßenen Gespräche haben Einblicke gewährt, was Menschen, jenseits forstfachlicher Perspektiven, unter Wald verstehen und wo ihre Sorgen liegen. Für die Teilnehmenden wiederum war es sichtlich befriedigend, dass sie zumindest spielerisch die Macht verliehen bekamen, sich aktiv gestalterisch mit Wald auseinanderzusetzen und mit dem Foto ein unmittelbares Resultat ihrer "waldbaulichen Maßnahmen" mit nach Hause nehmen zu können.